organisiert von: Antifa-Referat der ÖH Uni Wien
Location: NIG HS III, Universitätsstraße 7, 1010 Wien
Url: https://www.facebook.com/events/1637660299818065/

Seit den 1990er Jahren tritt der Holocaust zunehmend als ‚negative Ikone‘ der Epoche ins Bewusstsein. ‚Universalisiert‘ wird er, weil sich die Erinnerung daran zusehends zu einem moralischen Imperativ für die gesamte Menschheit entwickelt, aber sich auch verschiedenste Gruppen als ‚die Juden von heute‘ begreifen. Für die EU besitzt diese Fokusverschiebung noch eine zusätzliche, identitätsstiftende Komponente: Der Holocaust wird zu einem negativen europäischen Gründungsmythos. Das geeinte Europa nach 1945 wird als „Schicksalsgemeinschaft“ begriffen, die aus dem „Zivilisationsbruch Auschwitz“ eine Lehre gezogen und gemeinsame Strukturen entwickelt habe, um Ähnliches zu verhindern. Damit wird jedoch der Shoa im Nachhinein eine Art Sinn verliehen. Diese Entwicklung hat auch bei der EU-Osterweiterung eine Rolle gespielt. So wurde in Budapest wenige Wochen vor dem EU-Beitritt das Holocaust-Gedenkzentrum eröffnet, obwohl die ständige Ausstellung erst zwei Jahre später fertiggestellt werden konnte. Die Idee, die neuen Mitgliedsländer im ‚Osten‘ müssten vom ‚Musterbeispiel‘ Deutschland besser aufzuarbeiten lernen, impliziert, im ‚Westen‘ und den Nachfolgestaaten des NS laufe alles vorbildlich.

Ljiljana Radonić verfasst ihre Habilitation über den „Zweiten Weltkrieg in post-sozialistischen Gedenkmuseen“ am Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und lehrt über „Europäische Erinnerungskonflikte seit 1989“ am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien. Sie ist Redaktionsmitglied der Zeitschrift sans phrase, ihre Dissertation über den „Krieg um die Erinnerung. Kroatische Vergangenheitspolitik zwischen Revisionismus und europäischen Standards“ ist 2010 im Campus-Verlag erschienen.