Leo Rothziegel (1892–1919) & Julius Dickmann (1894–1942. Zwei Dissidenten der Arbeiter_innenbewegung
Peter Haumer vereint im Band „… daß die Masse sich selbst begreifen lernt“ eine politische Biografie und ausgewählte Schriften von Julius Dickmann, und macht dessen wichtigsten theoretischen und politischen Schriften wieder zugänglich; darunter Auseinandersetzungen mit partei- und klassentheoretischen Fragen. Robert Foltin schrieb das Vorwort zu Peter Haumer: “Bitte schicken Sie uns einige Maschinengewehre und Zigaretten. – Leo Rothziegel. Jüdischer Proletarier und Revolutionär”. Gemeinsam führen uns die beiden an diesem Abend durch die Wiener linksradikale Szene um die Zeit des 1. Weltkriegs und diskutieren mit uns ihre Einschätzungen der damaligen Strömungen und Debatten.
Der Schriftsetzer Leo Rothziegel (1892–1919) wandte sich frühzeitig dem revolutionären Flügel der Wiener Arbeiter_innenbewegung zu und war und im jüdischen Arbeiter_innenverein Poale Zion, in der Anarchistischen Föderation sowie in anarchosyndikalistischen Gewerkschaften aktiv. Im 1. Weltkrieg publizierte Rothziegel antimilitaristische Flugblätter und war am Aufbau der Antikriegsbewegung und vor allem am Ausbruch des Jännerstreiks 1918 mit über 100.000 Teilnehmer_innen beteiligt. Am 30. November 1917 wurde Rothziegel Mitglied des geheimen Arbeiter- und Soldatenrats in Wien. Am 1. November 1918 gründete er in Wien gemeinsam mit Egon Erwin Kisch und Stephan Haller die Rote Garde, der bis zum 4. November mehr als 1.000 Personen beitraten. Ende November 1918 war Rothziegel einer der Mitinitiatoren der Föderation revolutionärer Sozialisten „Internationale“ (FRSI), einer linken Sammelbewegung. Als Funktionär (Soldatenrat) der Volkswehr marschierte Rothziegel am 2. April 1919 mit 1.200 Mann nach Ungarn zur Verteidigung der Räterepublik um Béla Kun gegen rumänische Truppen. Als parteikritischer Rätekommunist und Dissident fiel Rothziegel am 22. April 1919 in Debrezin.
Julius Dickmann (1894–1942), ein Mitstreiter Rothziegels und Mitgründer der FRSI, war ein bedeutender marxistischer Theoretiker der Zwischenkriegszeit. Die Schriften Dickmanns sind von großer Originalität und hohem theoretischen Niveau. Sein wichtigster Text “Das Grundgesetz der sozialen Entwicklung” (Wien 1932) ist auch heute noch von Relevanz. Simone Weil war davon stark beeinflusst. “Er war Sozialdemokrat und hat die Sozialdemokratie schweren Herzens hinter sich lassen müssen. Obwohl er in ihren theoretischen Organen ‘Die Neue Zeit’ und ‘Der Kampf’ geschrieben hatte, finden sich keinerlei Hinweise auf seine Parteimitgliedschaft im Archiv der Wiener Sozialdemokratie. Später war er revolutionärer Sozialist, Internationalist, gänzlich der Räteidee verpflichtet.”, so Peter Haumer in seiner Einleitung zum Buch.
Link zum Buch: http://mandelbaum.at/books/806/7602
Die Veranstaltung ist kostenlos und wird von “Assoziation Panda – Verein zur Förderung des kritischen literarischen Diskurses” organisiert.