Marikana - die bodymaps der Witwen der ermordeten Bergarbeiter
Das Massaker von Marikana Im August 2012 starteten Minenarbeiter_innen in einer der größten Platin-Minen Südafrikas einen Streik für höhere Löhne und bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen. Sechs Tage später verwendete die Polizei scharfe Munition, um den Streik zu beenden. Dieses Massaker von Marikana gilt als Wendepunkt in der Geschichte Südafrikas: 34 Minenarbeiter wurden dabei erschossen – die meisten von ihnen auf der Flucht durch Schüsse in den Rücken.
Bodymaps: Ermächtigung, Dokument, Intervention, Kunst Der erfahrene Opferverband Khulumani Support Group (isiZulu für: Sprich es aus) bot den Hinterbliebenen eine Plattform der Begegnung und des Erfahrungsaustausches und unterstützte damit die Bildung einer Gruppe, die sich zunehmend einer gemeinsamen Stimme bediente. Der Kampf der Hinterbliebenen, der sogenannten ‚Witwen von Marikana’, um gerechte Entschädigungsleistungen ist heute, vier Jahre nach dem Massaker, nicht vorüber. Weiterhin stehen Restitutionszahlungen aus. Bildgewaltiger Ausdruck dieses kollektiven Kampfes sind die „Bodymaps“, die den Kern der Ausstellung in der ÖGB bilden. Die Bilder nehmen den eigenen Körperumriss zum Ausgangspunkt, sie fokussieren die eigene Verfasstheit und Perspektive. Der Körper selbst erzählt – durch die Gesichtsausdrücke, durch seine Haltung: stehend, liegend, kniend, rennend; durch die Positionierung der Arme: über den Kopf zusammen geschlagen, hoch gestreckt, auf etwas zeigend, an die Brust gepresst. Auch die verwendeten Farben und materiellen Intensitäten, die sich durch die Kombination von Öl- und Wasserfarben und den Aufwellungen des Papiers ergeben, sprechen für sich. Auf dem Körper und um ihn herum finden sich weitere Visualisierungen der Erfahrungen und Lebenswelt: Oft ist das Massaker selbst ins Bild gerückt, vielfach wird auf die harte Lebensrealität verwiesen, auf die existentiellen Schwierigkeiten und die Sorge um die Zukunft der nun vaterlosen Kinder. Gleichzeitig thematisieren die Bilder Hoffnungen, Erwartungen, zentrale Anliegen und Forderungen an die Verantwortlichen des Massakers, den Minenbetreiber, den Staat und die Polizei. Die Bodymaps sind damit auch Zeugnisse der Analyse des Massakers aus Sicht einer unmittelbar betroffenen Gruppe. Die Tatsache, dass diese Perspektive marginalisiert wurde und wird, macht die Bilder umso wertvoller. Dieser Kontext sowie die selbstbewussten Setzungen der Hinterbliebenen machen aus den Bildern gleichzeitig eine Intervention in bestehende Machtverhältnisse.
Europäische Verwicklung Nicht zuletzt adressieren diese Bilder auch Europa und den Globalen Norden: Platin, das weltweit wertvollste Metall, ist Bestandteil in jedem Autokatalysator. BASF, der weltweit größte Katalysatorenhersteller, ist Hauptkunde von Lonmin, des Minenbetreibers in Marikana. Obwohl sich BASF zu hohen Standards innerhalb seiner Lieferkette verpflichtet hat, hat der Konzern bisher davon Abstand genommen, die Hinterbliebenen und deren Communities zu unterstützen. Die Witwen von Marikana erzählen auch davon, dass die Arbeiter_innen, die das derzeit wertvollste Metall schürfen, unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten und wohnen, in Welblechhüttenslums ohne fließend Wasser und Strom, ohne Kanalisation und Müllabfuhr. Die Bilder der Witwen von Marikana sind auch eine Anklage an die europäische Rohstoffpolitik.
PLOUGH BACK THE FRUITS Im Kampf um Gerechtigkeit und Restitution. Die Bodymaps der Witwen von Marikana Ausstellungseröffnung: 20. April 2016 um 18:00 Uhr Im Anschluss an die Eröffnung lädt der VÖGB zu einem kleinen Buffet.
- Mai, 17:30: KuratorInnenführung; 18.30: Filmscreening mit anschließendem Q&A: Miners Shot Down (Rehad Desai, RSA 2013, 84min., OmdtU)
Ausstellungsdauer 21. April – 25. Mai 2016 werktags 7:00 Uhr bis 19:00 Uhr freier Eintritt
Ort: Foyer des ÖGB Catamaran Johann Böhm Platz 1, A-1020 Wien U2 Station Donaumarina
mit Arbeiten von Mary Fundzama, Betty Lomasontfo Gadlela, Ezekiel Galawe, Maren Grimm, Daniel Letebele, Jakob Krameritsch, Pauline Matabane, Ntombizolile Mosebetsane, Xolelwa Mpumza, Thembani Mthinti, Songstress Notukile Nkonyeni, Nombulelo Ntonga, Zameka Nungu, Asanda Phakathi, Judy Seidman, Ntombiluelile Sependu, Makopane Sompeta, Agnes Makopane Thelejane, Nolundi Tukuza, Nokuthula Evelyn Zibambela
kuratiert von NomaRussia Bonase & Judy Seidman, Khulumani Support Group Simone Knapp & Boniface Mabanza, Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika, KASA Maren Grimm & Jakob Krameritsch, Akademie der bildenden Künste Wien