Podiumsdiskussion: "Was ist politische Partei für die Linke?"
Es sprechen:
####Hanna Lichtenberger, Mosaik-Blog ####Sebastian Kugler, Sozialistische LinksPartei ####Dieter Alexander Behr, Afrique Europe Interact, Forum Civique Européen und viele andere Netzwerke und Initiativen ####Ursula Jensen, Internationale Bolschewistische Tendenz
Ablauf
Alle Diskutant_innen erhalten die selben, unten angeführten Fragen. In einer ersten Runde gibt jede_r ein Eröffnungsstatement als Antwort auf diese Fragen. In einer zweiten Runde können die Teilnehmer_innen aufeinander antworten, in einer dritten Runde hat das Publikum die Möglichkeit, Fragen an die Teilnehmer_innen zu stellen.
Einführungstext
Trotz vieler unterschiedlicher politischer Strömungen und Richtungen ist die vielleicht bedeutendste Frage für die „Linke“ die der „politischen Partei“. Im Gefolge der Wirtschaftskrise 2008 und der anschließenden Rezession fanden verschiedene Initiativen für „linke Einheit“ statt, nach Occupy Wall Street und dem Arabischen Frühling, neben aus den 1980ern-90ern stammenden „post-politischen“ Tendenzen (die Ausdruck finden in Empire, Multitude und Commonwealth von Hardt und Negri, John Holloways Change the World without Taking Power, The Coming Insurrection des Invisible Committee, das Communique from an Absent Future von protestierenden Studierenden Californias), die Gründung von SYRIZA in Griechenland, der Partei Podemos in Spanien (die sowohl die organisierte „marxistische Linke“ als auch die bestehenden Gewerkschaften als Teil der etablierten „politischen Kaste“ ablehnen) während die Partei DIE LINKE sich in Deutschland scheinbar selbstsicher an Koalitionsregierungen beteiligt.
Gleichzeitig befinden sich die größten „orthodox marxistischen“ („trotzkistischen“) politischen Organisationen in den englischsprachigen und westeurpäischen Ländern zunehmend in der Krise, die als „Krise des (‘tatsächlich existierenden’) Leninismus“ in den forgeschrittenen kapitalistischen Ländern beschrieben wurde. Neue Publikationen, wie Jacobin Magazine, N+1 und Endnotes, verkörpern einen „millenial Marxism“. Das Vermächtnis des Marxismus in Hinblick auf die Prinzipien politischer Organisation ist Gegenstand einer aufkommenden Diskussion, bis hin zur Zweiten Internationale 1889-1914 („neo-Kautskyanertum“), zum Beispiel in Lars Lihs revisionistischer Geschichte Lenins und des Bolschewismus und das Buch Revolutionary Strategy (2008) vom Communist-Party-of-Great-Britain-Mitglied Mike Macnair, letzteres veranlasst durch die Gründungen der Respect Party in Großbritannien und der Nouveau Parti Anticapitaliste in Frankreich.
Die vielleicht bedeutenste Frage, die sich der „Linken“ heute international stellt, lässt sich bis zu Marx’ Streit mit den Anarchisten in der Ersten Internationale zurückverfolgen: Was bedeutet es für die Linke, heute „politisch aktiv“ zu werden? Doch scheint die Frage der „politischen Partei“ der Linken mehr Probleme zu bereiten als zu lösen. Formale politische Organisation scheint unverzichtbar für Langzeitperspektiven, die über das Anschwellen und Verebben spontaner Bewegungen hinausweisen. Doch die Geschichte der Partei, die durch Aufrechterhalten von Aktivität und Widersprüchen einen Weg zur Revolution bahnen soll, ist bestenfalls zwiespältig. Statt der Revolution ebnete sie der Rationalisierung von politisch wirklungslosen Strategien und Opportunismus jeder Couleur (z.B. Reformismus, Karrierismus) den Weg.
Fragen für die Diskutant_innen
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Was erwarten Sie von der Beschäftigung mit der Frage der politischen Partei – hilft oder untergräbt sie die Linke?
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Wie sehen Sie das Problem der politischen Organisation in Zusammenhang mit jenen Strömungen der Linken, die sich in den letzten Jahren seit #Occupy entwickelt haben? Was sollte die Langzeitvision der Linken hinsichtlich politischer Organisation sein?
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Wie unterscheidet sich eine Partei von einer politischen Organisation? Was sind ihre Besonderheiten?
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Politische Parteien, Bewegungen und den Staat gibt es seit geraumer Zeit. War ihr Verhältnis in der Vergangenheit anders als es jetzt ist? Halten Sie einige von diesen oder alle für bleibend oder vorübergehend? Spezifischer: Ist die Notwendigkeit der Partei im Kapitalismus gegeben, inklusive ihrer fundamentalen Eigenschaften? Oder können diese neu überdacht werden?
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Wie verhalten sich politische Parteien/Organisationen zur Gesellschaft als Ganzes? Wie sollten sie das für die Linke tun? Wie kann die Linke die Partikularinteressen bestimmter Wählerschichten (z.B. Arbeiter_innen, Minderheiten, Arme, Marginalisierte) transzendieren, mit Blick auf die Veränderung der gesamten Gesellschaft? Sollte sie das? Wie kann eine politische Partei/Organisation der Linken gleichzeitig repräsentativ und revolutionär sein?
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Wie stellt sich die Notwendigkeit für die Linke, an die Macht zu kommen, heute dar? Was sind die wichtigsten Präzedenzfälle in der Geschichte hierfür? Wie hat sich dieses Problem im Lauf der Zeit verändert?
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Der gegenwärtige Trend hin zur politischen Organisation (z.B. Syriza, Podemos) positioniert die Linke großteils gegen traditionelle sozialdemokratische und kommunistische Parteien. Was bedeutet dieser Trend? Handelt es sich um ein temporäres, vorübergehendes Phänomen oder markiert es eine dauerhafte Wende? Sehen Sie dies als einen Fort- oder Rückschritt für den Zugang der Linken zur Politik?
Biographisches
Hanna Lichtenbergerist Historikerin und Politikwissenschafterin. Sie ist Redakteurin des mosaik-Blogs und aktiv bei Aufbruch.
Sebastian Kugler:ist Mitglied der Bundesleitung der Sozialistischen LinksPartei, österreichische Sektion des Committee for a Workers’ International (CWI). Er organisierte u.a. Schulstreiks gegen Bildungskürzungen, Widerstand gegen Abschiebungen und zahlreiche antirassistische und antifaschistische Demonstrationen. In den letzten Jahren half er beim Aufbau sozialistischer Organisationen in Spanien und den USA.Er ist aktiv bei Aufbruch.
Dieter Alexander Behr:studierte an der Universität für Bodenkultur Wien und ist Aktivist in verschiedenen transnationalen antirassistischen Netzwerken, u.a. im Netzwerk Afrique Europe Interact sowie beim Forum Civique Européen. Er promovierte an der Universität Wien zum Thema “Landwirtschaft - Migration - Supermärkte. Ausbeutung und Widerstand entlang der Wertschöpfungskette von Obst und Gemüse” und lehrt an der Uni Wien und der Uni Klagenfurt.
Ursula Jensen:ehemals Mitglied der Sozialistischen Jugend Deutschlands “Die Falken” ehemals Mitglied der Jungsozialisten in der SPD ehemals Mitglied der Trotzkistischen Liga Deutschlands ehemals Mitglied der Spartacist League/U.S. Gründungsmitglied der Internationalen Bolschewistischen Tendenz ehemaliges Betriebsratsmitglied Mitglied der Delegiertenkonferenz der IG Metall, Region Hamburg