organisiert von: Memory Gaps ::: Erinnerungslücken
Location: Galerie Klangbilder, Alfred-Grünewald-Straße 42, 1230 Wien
Url: http://www.memorygaps.eu/gap-juni-2016/

Kunstinitiative „Memory Gaps ::: Erinnerungslücken“ von Konstanze Sailer gedenkt NS-Opfern mit Ausstellungen in Wiener Straßen, die es geben sollte.

Alfred Grünewald (* 17. März 1884 in Wien; † 9. September 1942 im Konzentrationslager Auschwitz) war ein österreichischer Schriftsteller. Nach seinem Architekturstudium in Wien war er zunächst als Architekt und Mitarbeiter von Adolf Loos tätig, danach lebte und arbeitete er als freier Schriftsteller. Grünewald war Jude und homosexuell; er unternahm am 11. März 1938, am Vortag des NS-Einmarsches in Österreich einen Selbstmordversuch. Nach den Novemberpogromen wurde er am 14. Nov. 1938 in das KZ Dachau deportiert, im Januar 1939 entlassen und floh nach Südfrankreich. Nach Kriegsausbruch wurde er mehrfach interniert, wieder freigelassen und lebte bis Sept. 1942 in Nizza. Dort wurde Alfred Grünewald von der Polizei des Vichy-Regimes festgenommen, an die SS ausgeliefert, am 7. Sept. vom Sammellager Drancy bei Paris mit dem Transport Nr. 29 nach Auschwitz deportiert und dort vermutlich bereits am 9. September 1942 ermordet.

Bis zum heutigen Tag existiert in Wien keine Straße, die seinen Namen trägt. Hingegen ist nach Hans Pfitzner seit 1957 eine Straße in Wien-Liesing benannt. Zu diesem Erinnerungskontrast tragen auch weitere, in Salzburg, München, Frankfurt und Nürnberg nach Pfitzner benannte Straßen bei. Der renommierte und vielfach ausgezeichnete Komponist war nicht nur während der NS-Diktatur, sondern bis zu seinem Tod 1949 antisemitisch eingestellt. Er sympathisierte mit der NSDAP und versuchte, auch noch nach 1945 in seinen Schriften die NS-Verbrechen zu bagatellisieren. Anstelle von Hans Pfitzner sollte künftig in Wien-Liesing an Alfred Grünewald erinnert werden.

Die Kunstinitiative der Malerin Konstanze Sailer wird zum Gedenken an die Opfergruppe der Homosexuellen mit einer weiteren Ausstellung von Tuschen auf Papier in virtuellen Räumen eröffnet. Die Galerien befinden sich ausnahmslos in Straßen oder an Plätzen, die es nicht gibt, die es jedoch geben sollte: Solche mit Namen von Opfern der NS-Diktatur. Monat für Monat wird so das kollektive Gedächtnis erweitert. Monat für Monat werden damit Erinnerungslücken geschlossen.

Memory Gaps ::: Erinnerungslücken zeigen eine Auswahl aus tausenden Tuschen auf Papier aus zehn Jahren. Sie stellen Schreie und Aufschreie von Opfern dar. Zum schmerzerfüllten Aufschrei geöffnete Münder und Kiefer. Abstrakte Darstellungen von Schreien in Ghettos, Konzentrationslagern und NS-Tötungsanstalten – gemalte Erinnerungskultur. Seit drei Jahrzehnten arbeitet die aus Heidelberg stammende und in Wien lebende Künstlerin zu den Themen Antlitz, Schädel und Tod. Tusche auf Papier wurde als Technik gewählt, um der “Filigranität” jener „Papierfetzen“ nachzuempfinden, auf denen in Konzentrationslagern inhaftierte Künstler – zumeist im Geheimen – ihre Kunstwerke herstellten.