organisiert von: Wirth
Location: WERKL im Goethehof, Schüttaustraße 1, 1220 Wien

STREIT UM TTIP IN ZEITEN DER KRISENKONKURRENZ: Regierende Standortnationalisten zweifeln an ihrer Freihandelskumpanei

Prof. Margret Wirth (GegenStandpunkt) Am 13.10.2016 um 19:00 im WERKL im Goethehof, Schüttaustraße 1, 1220 Wien

Die Skepsis gegen die aktuellen Handelsabkommen ist ganz oben angekommen, bei den Regierenden in Europa und den USA. Fragt sich nur, warum! Jedenfalls ein Grund mehr, sich über die Abkommen und diese Wende klar zu werden!

Deutsche Wirtschaftspolitiker, die für den profitablen Absatz deutscher Dieselautos auf der ganzen Welt jeden Umwelt- Beschiss ihrer Vorzeige-Konzerne mitgemacht und gedeckt haben, bis die Sache aufgeflogen ist – teilen die auf einmal die Befürchtungen, TTIP oder CETA seien schlecht für die Umwelt? Wohl kaum! Haben europäische Politiker Bedenken wegen Verschlechterungen bei den Schutzstandards für Beschäftigte – auch wenn der französische Staat die Krise mit einem Großangriff auf die soziale Lage der arbeitenden wie arbeitslosen Franzosen bekämpft, deutsche Politiker solche radikalen „Spar-“ und „Reformprogramme“ seit Jahren für ganz Europa fordern und die österreichische Politik Arbeitnehmerrechte hauptsächlich als unzeitgemäße „Verkrustungen“ kennt? Wer soll das glauben?

Wenn jetzt Politiker in Europa und den USA gegen TTIP hetzen, dann kalkulieren sie anders als bisher. Der leitende Gesichtspunkt ist aber derselbe: Die nationale Wirtschaft muss wachsen. Dafür sollte TTIP die Wunderwaffe sein, ursprünglich!

Mehr Kapitalwachstum, durch mehr internationale Freiheit beim Handeln und Investieren! Ehrlicherweise wurde kaum versprochen, durch TTIP würden Löhne und Gehälter steigen, überhaupt die Lebensverhältnisse der Menschen angenehmer – darum ging es ja auch nie. Mehr Kapitalfreiheit bedeutet eben mehr Konkurrenz zwischen den Firmen, die dafür ihr Personal auf wachsende Leistung bei sinkenden Kosten ausrichten; und mehr Konkurrenz zwischen den Staaten, die ihren Völkern per Dauer-„Reformen“ Druck aufs nationale Lohnniveau bescheren. Weil und solange die regierenden Eliten die zu befreiende Konkurrenz mit mehr Wachstum gleichgesetzt haben, von dem sie für ihre Nation möglichst große Teile sichern wollten, war klar: Wenn Umwelt-, Sozial- und sonstige Standards dabei im Weg sind, gehören sie weg.

Wegen der Wachstumskrise des Kapitals zweifelt dieser Standpunkt nun am nationalen Nutzen der TTIP-Kooperation.

Mehr transatlantische Kapitalfreiheit erscheint vielen Politikern nicht mehr als das Mittel für mehr Wachstum. Der Streit um TTIP macht deutlich, dass der mit dem Projekt anvisierte Vorteil nicht mehr als wachsender Anteil an einem Gesamtwachstum zu haben ist, sondern nur noch durch das Wegnehmen von Geschäftsgelegenheiten. Darum geraten die Verhandlungen so unversöhnlich; darum kommt die geplante imperialistische Kumpanei neuerdings in den schlechten Ruf, den Verzicht auf wirksame nationale Waffen in dieser Konkurrenz zu fixieren. EU- und US-Führer sind entschlossen, die Krisenkonkurrenz zum Nutzen der eigenen, also zum Schaden anderer Nationen zu bestehen. Jede ökonomische Nutzen-Schaden-Rechnung überführen sie daher in die Frage, wer sich von wem überhaupt Bedingungen gefallen lassen muss, wer wem Entgegenkommen abringen kann: Erkennt Europa die Führungsmacht der USA an? Umgekehrt: Erweisen die USA der EU wirklichen Respekt auf Augenhöhe? Ihre ökonomische Abhängigkeit voneinander bringt sie immer mehr von der berechnenden Kooperation weg und führt sie immer mehr in Richtung auf ein Kräftemessen gegeneinander, das sich pur um Über- oder Unterordnung dreht. Ihre Völker ermuntern die Machthaber, ihnen die Daumen dafür zu drücken, dass sie sich in diesem Kampf durchsetzen, für den die Leute – mit mehr ebenso wie mit weniger Freihandel – in der Rolle der Manövriermasse verplant sind.

Zum Nachlesen: Mit TTIP zur Wirtschafts-NATOhttp://www.gegenstandpunkt.com/gs/2014/3/gs20143103.html Der Anklagepunkt der TTIP-Kritikerhttp://www.gegenstandpunkt.com/gs/2015/3/gs20153107.html