Gender als rechter Kampfbegriff. Akteur_innen und Argumentationsmuster im Anti-Gender Diskurs in Österreich
In den letzten Jahren haben ‚anti-genderistische‘ Mobilisierungen – etwa Manif pour tous in Frankreich oder die europaweiten Kampagnen gegen Berichte zu sexuellen Rechten im EU-Parlament – für Aufsehen gesorgt. In der Interpretation der beteiligten Akteur_innen steht ‚Gender‘ für eine totalitäre Ideologie. Denn sie ziele auf die Schaffung eines neuen (geschlechtslosen) Menschen ab und stelle damit die Institution der (heterosexuellen) Familie und in weiterer Folge die europäischen Gesellschaften insgesamt in Frage. Der Gender-Begriff bildet darin einen diskursiven Knotenpunkt, in dem sich Fragen der Gleichberechtigung von LGBTIQ, der Emanzipation von Frauen, Gender Mainstreaming, Gleichstellungspolitik und universitäre Gender Studies mit Sexualerziehung und/oder geschlechtssensibler Pädagogik an Schulen und Kindergärten verschränken. Der Begriff ‚Gender-Ideologie‘ fungiert als ‚leerer Signifikant‘ (Laclau/Mouffe), der die Bildung von Äquivalenzketten erlaubt, d.h. unterschiedliche politische Anliegen zu einem (scheinbar) kohärenten Narrativ verkettet. Der populistische Charakter dieses Diskurses zeigt sich in der Konstruktion eines doppelten Antagonismus, der sich gegen ‚Eliten‘ und gegen ‚Andere‘ richtet, die als Gegensatz zum ‚Volk‘, zu ‚normalen Männern und Frauen‘ und ‚gesunden Familien‘ konstruiert werden. Nicht zuletzt ermöglicht die Kreation von Feindbildern die Bildung von Koalitionen quer durch das ideologische Spektrum der politischen und religiöse Rechten. In unserem Vortrag stellen wir Ergebnisse einer Kritischen Frameanalyse (CFA) des Diskurses der ‚Gender-Ideologie‘ in Österreich vor, zeigen welche dominanten Argumentationsmuster diesen Diskurs strukturieren und wie er sich mit breiteren rechtspopulistischen und rechtsextremen Bedrohungsszenarien verschränkt.