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Richard Krebs veröffentlichte im November 1940 unter dem Pseudonym Jan Valtin seine Erinnerungen „Out of the Night“. Das Buch wurde ein Bestseller und erreichte eine Millionenauflage, u.a. auch deshalb, weil es wie ein Abenteuerroman geschrieben ist. Das Buch schildert die Flucht eines inhaftierten kommunistischen Seemanns, der sich auf Geheiß der Komintern auf ein Doppelspiel mit der Gestapo eingelassen hatte, nach Dänemark geschickt wurde und dort aus einem Geheimgefängnis des kommunistischen Geheimapparates entkam und in die USA flüchtete. Das Buch übt noch heute eine große Faszination aus. In den letzten Jahren erschienen Neuauflagen in deutscher, englischer, französischer, spanischer und türkischer Sprache. Der amerikanische Literaturwissenschaftler zählt es zu den vier Büchern, die den Kalten Krieg formten. Schon zeitgenössische Autoren wie der deutsche Marxist Karl Korsch stellten Krebs Version in Frage und bezeichneten ihn als Gestapospitzel. Zu Recht, wie wir heute wissen. Die Gestapoakten von Krebs waren bis 1990 in der Obhut der ostdeutschen Stasi. In meinem Vortrag werde in zum einen auf die Zusammenarbeit von Krebs mit der Gestapo eingehen und welche Folgen dies für seine Genossen hatte und zum anderen auf neuere Veröffentlichungen über Krebs eingehen.

Tagebuch der Hölle erzählt in autobiographischen Zügen die Geschichte der Komintern (1919–1943), der sowjetisch dominierten Nachfolgeorganisation der 1. Internationale und gehört zu den grossartigsten Schriften einer verlorenen Generation europäischer Revolutionäre. Jan Valtin interessiert sich schon in jungen Jahren für Politik und nimmt 1923 aktiv am Hamburger Aufstand teil. Danach reist er als agitierender Seemann auf den Weltmeeren und unterzieht sich 1925 einer Kaderschulung in Leningrad. Als Agent der Komintern koordiniert er weltweit Gewerkschaften der Matrosen und Seemänner. In der damaligen Zeiten vor der Erfindung des Luftverkehrs und des Internets ein Schlüsselfaktor zum Transport von Nachrichten, Propaganda, Waffen und Personen. Er übernimmt Aufträge zur Disziplinierung abtrünniger Parteigruppen und anderer Feinde der Sowjetunion und sitzt in der USA drei Jahre wegen Mordversuch im Gefängnis. Als er Anfangs der 1930er Jahre nach Deutschland zurückkehrt geht der Wirbel aber erst richtig los. Ein extrem mitreissendes und aufschlussreiches Zeitdokument über die Skrupellosigkeit und Unfähigkeit der Komintern, die zum Auslandsgeheimdienst der jungen UdSSR degradiert wurde. Ein Buch über den Aufstieg und den Machterhalt der NSDAP und über die Unfähigkeit der gesamten deutschen Linken etwas dagegen zu unternehmen. Ein herzzereissendes Epos, dass zeigt wohin die Abgabe politischer Verantwortung und Selbstständigkeit an eine zentrale Parteiinstanz führen kann und damit ein anti-autoritäres Buch im besten Sinne.

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