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Marx hatte Mitte des 19. Jahrhunderts das Lumpenproletariat als bestechliche, und deswegen dann doch für den Klassenkampf wichtige Schicht beschrieben. Dem »Pöbel« wurde in der Arbeiter*innenbewegung jahrzehntelang, schon im Frühsozialismus, das Proletariat als bewusste, ehrenvolle Klasse gegenübergestellt, die ihre historische Mission »standhaft und sittlich« verrichte. Der Sozialdemokratie war durch ihren Klassenstolz die Verachtung »der anderen« sozusagen eingeschrieben, sie bedingten einander. Die ungeliebten Anteile ihres eigenen Selbst wurden abspalten – und diese Eigenschaften dann dem Lumpenproletariat zugeschrieben.

Damals wie heute ist die Frage des »Lumpenproletariats«, der Aufstände von Deklassierten und des politischen Umgangs mit ihnen mit der nach der Bedeutung von Lohnarbeit verbunden: Findet sich das revolutionäre Subjekt im Industrieproletariat oder bei den «Verdammten dieser Erde»?

Ab den 1960er Jahren entwickelten sich verschiedene Ansätze, das Lumpenproletariat neu zu theoretisieren: die Randgruppenstrategie von Marcuse und der Neuen Linken, der italienische Operaismus mit seiner Debatte um den Massenarbeiter, aber auch die Debatte um Kolonialismus und die rassistische Segmentierung von Gesellschaften (Frantz Fanon, Black Panther in den USA).

Aus alledem ergibt sich – aufs begriffsgeschichtliche Ganze gesehen – ein drastischer Widerspruch zwischen reaktionärem Opportunismus (Marx) und einer existentiellen Nähe zum radikalen Bruch mit der Gesellschaft (Bakunin), dem Christopher Wimmer in seinem Vortrag auf den Grund geht.

Christopher Wimmer: Lumpenproletariat. Die Unterklassen zwischen Diffamierung und revolutionärer Handlungsmacht, Schmetterling Verlag, Stuttgart 2021, 170 Seiten, 12 EUR.

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