Vom Straßenschläger zum Verschwörungsideologen: Über den Neonazi, der Ernst Kirchweger erschlug
Der Favoritner Kommunist und Antifaschist Ernst Kirchweger wurde am 31. März 1965 von einem jungen Neonazi niedergeschlagen und erlag zwei Tage später seinen Verletzungen. Kirchweger, der während des NS-Regimes im organisierten antifaschistischen Widerstand tätig war, wurde so zum ersten politischen Todesopfer in Österreich nach 1945. Der Name des jungen Neonazis: Günther Kümel. Lediglich zehn Monate blieb er für die Tat inhaftiert; das Gericht sprach ihn vom Vorwurf des Totschlags frei und erkannte lediglich eine „Notwehrübertretung“.
Bis heute ist Kümel, der inzwischen im Rhein-Main-Gebiet wohnt, in neofaschistischen Netzwerken aktiv. Seine Geschichte verleiht ihm Authentizität und Autorität, er referiert gern bei Studentenverbindungen, Neonazi-Parteien, kommentiert eifrig online beim COMPACT-Magazin oder verfasst Artikel für Neonazi-Postillen.
Der Vortrag gibt einen Überblick darüber, wie eine Neonazi-Karriere aussehen kann: Vom Rechtsterroristen und Straßenschläger zum gefragten Referenten, Geschichtsrevisionisten und Verschwörungsideologen. Er blickt auf die gesellschaftlichen Verhältnisse in Österreich und Deutschland, das Versagen der Justiz im Fall Kirchweger und die Kontinuitäten von Antikommunismus und Antisemitismus in der deutschsprachigen extremen Rechten.
Der Referent Jacob Weyrauch ist freier Journalist, Rechercheur und Bildungsreferent. Er schreibt u.a. für die Zeitungen LOTTA (Antifaschistische Zeitung für NRW; Rheinland-Pfalz und Hessen) sowie das Antifaschistische Infoblatt und publiziert zur extremen Rechten und anliegenden Spektren in Hessen und der BRD.