organisiert von: Plattform Radikale Linke
Location: Rampe der Universität Wien (Universitätsring 1, 1010)
Url: http://www.radikale-linke.at

“Bei jedem Bummel floss Blut”, schrieb der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig 1910, und meinte damit die Übergriffe deutschnationaler Burschenschafter auf jüdische Studierende während ihrer wöchentlichen Aufmärsche an der Universität Wien. Diese Übergriffe steigerten sich die kommenden Jahre und Jahrzehnte zu pogromartigen Zuständen. Schließlich erblickten die Burschenschafter im “Anschluss” Österreichs ans nationalsozialistische Deutschland den “Traum der Deutschen Burschenschaft vom großen Reiche aller Deutschen”, wie die Verbindung Bruna Sudetia noch 1971 festhielt. Der Antisemitismus und der Hass auf alles Nicht-Deutsche der Burschenschaften ist dabei eine Quelle der späteren nationalsozialistischen Exzesse, die in der industriell betriebenen Vernichtung des europäischen Judentums mündeten. Auch heute noch marschieren jeden Mittwoch um 12 Uhr völkische Verbindungen des Wiener Korporationsrings – trotz jahrelanger antifaschistischer Proteste – an der Rampe vor der Universität zu ihrem Bummel auf. Eine Traditionspflege, an der sich die Uni Wien nicht zu stoßen scheint.

Deutschnationale Burschenschaften stehen vor allem in Österreich für völkischen Nationalismus, NS-Verherrlichung und Holocaustleugnung. Ihr extrem antisemitisches, queerfeindliches, rassistisches, elitäres und frauenfeindliches Weltbild stellt aber in Österreich leider kein isoliertes Randphänomen dar. Vielmehr sind deutschnationale Burschenschaften die Kaderstätte des hiesigen Rechtsextremismus und dienen als Scharnier zwischen der FPÖ im Parlament und dem Neonazismus der Straße. Ein nennenswerter Teil der Nationalratsabgeordneten der FPÖ sind “Alte Herren” von Burschenschaften und auch sonst lässt sich – von Küssel bis zu den “Identitären” - kein namhafter Ideologe des österreichischen Rechtsextremismus ausmachen, der nicht dem korporierten Milieu entstammt. Auch Peter Binder, bei dem noch im Dezember 2020 bei einer Hausdurchsuchung ein Waffendepot ausgehoben wurde, hatte nachgewiesenerweise Kontakt zu ehemaligen Burschenschaftern, wie Franz Radl (Teutonia), und stand wie andere Burschenschafter im Fokus der Ermittlungen aufgrund des Briefbombenterrors Anfang-Mitte der 1990er Jahre.

Über Jahre hinweg diente der Ball des Wiener Korporationsrings als Vernetzungstreffen der extremen Rechten. Seit 2008 gab und gibt es antifaschistische Proteste dagegen. Diese wurden von der Wiener Polizei immer wieder mit Repression überzogen: Demonstrationen wurden verboten, Bündnisse kriminalisiert und Aktivist*innen verhaftet, in Untersuchungshaft gesteckt und mit wahnwitzigen Gerichtsprozessen konfrontiert. Nach jahrelangen Protesten, die stetig gewachsen sind und den WKR-Ball ins Rampenlicht der medialen Aufmerksamkeit zerrten, ist der Ball heute kleiner. Er kann nicht mehr unter diesem Namen in der Hofburg stattfinden und musste offiziell von der FPÖ ausgerichtet werden. Der Ball wurde delegitimiert und viele Gäste aus Politik und Wirtschaft sind nicht mehr bereit teilzunehmen. Auch den Charakter des Balls als „größtes couleurstudentisches Gesellschaftsereignis im deutschsprachigen Raum” (WKR) und als Vernetzungstreffen der europäischen Rechten konnten ihm die antifaschistischen Proteste streitig machen. Und dennoch existiert der Akademikerball weiter. Dieses Jahr findet er am 16. Februar statt.

Am Mittwoch, den 14. Februar wollen wir im Rahmen eines antifaschistischen Budenbummels den Antisemitismus der deutsch-völkischen Verbindungen thematisieren. Wir werden bei jenen vorbeischauen und über diese informieren, die sich bei sogenannten “Mensuren” in ritualisierter Form gegenseitig die Wangen (und oft mehr) zersäbeln; die sich in strenge Hierarchien einpassen und entlang dieser einander solange demütigen, bis niemand mehr Autorität in Frage stellt; die immer wieder Neonazis Zuflucht bieten oder gleich selber welche sind; die NS-Kriegsverbrechern als ihre “Bundesbrüder”, “Alte Herren” und “gefallenen Helden” gedenken; die exklusive männliche Herrschaft an den Unis in schweißig-bierdunstigem Kreis fortleben lassen; die bis heute ihrem Sexismus fröhnen und Frauen in ihren eigenen Reihen nicht dulden; die ihren Antisemitismus nicht nur in Form widerwärtigen “Liedguts” traditionsreich pflegen. Wenn wir aber den Antisemitismus von Burschenschaftern, von Rechtsextremen und rechten Parteien und Organisationen benennen und gegen diesen auf die Straße gehen, müssen wir gleichzeitig auch Antisemitismus als vielseitigeres Phänomen endlich begreifen. Es ist die dringende Aufgabe einer emanzipatorischen Linken, dem Antisemitismus -egal ob dieser von Konservativen, Rechten und Rechtsextremen, von Islamist*innen, von Linken oder sonst wem propagiert wird- entschlossen entgegenzutreten.

Wenn wir aber gleichzeitig gegen Burschenschaften und die FPÖ als ihren parlamentarischen Arm protestieren, müssen wir auch die Grundlagen benennen, warum diese Ideologien so stark sind, warum die Menschen die Bereitschaft haben, diese anzunehmen. Der Ohnmacht, der Konkurrenz und den falschen Spaltungen, die diese Gesellschaft hervorbringt, müssen wir die Perspektive auf einen solidarischen Aufbruch entgegenhalten. Eine Gesellschaft, die frei ist von Herrschaft, Ausbeutung und Unterdrückung, in der alle ohne Angst verschieden sein können. Diese Gesellschaft gibt es nur jenseits von Staat, Nation, Patriarchat und Kapital. Für diese ganz andere Welt lohnt es sich zu streiten und zu kämpfen – gemeinsam, entschlossen, vielfältig und kreativ.