organisiert von: ÖH Uni Wien
Location: NIG, Hörsaal I, Universitätsstraße 7, 1090 Wien
Url: https://oeh.univie.ac.at/projekte/100-jahre-ifs

Antisemitismus als soziale und politische Bewegung und welterklärende Ideologie entstand in der sich modernisierenden Welt des 19. Jahrhunderts. Als reaktionärer Beantwortungsversuch ist die Logik des Antisemitismus in der vermeintlichen Erlösung von den Ambivalenzen der Moderne begründet. Als völkische Gegenbewegung zu Aufklärung und Emanzipation speist er sich aus Naturglaube, Verschwörungsfantasien und der Projektion allen Übels auf Jüdinnen und Juden.

Am Beispiel der völkischen Impfablehnung lassen sich die Zusammenhänge historisch wie auch inhaltlich nachzeichnen: Antisemitische Mythen dienen als die Rechtfertigung des Irrationalen, als kollektiver Glaube an die „natürliche Ordnung“, das „Recht des Stärkeren“ und die Ablehnung der „künstlichen“ Wissenschaft. Mythen dienen der Auflösung von Widersprüchen.

Als das „Gerücht über die Juden“ (Adorno) dient Antisemitismus als Welterklärungsmodell und Angebot für eine geschlossene Weltsicht. Antisemitische Mythen dienen als Projektion menschlicher Probleme auf Übermenschliches – und damit als Möglichkeit Unerklärliches vermeintlich erklärbar zu machen.

Diese Funktionen und Bedeutung von Mythenbildung und Antisemitismus wird im Vortrag ideologiekritisch eingeordnet und der Mythenbegriff auch anhand der Überlegungen der kritischen Theorie erörtert. Dieser Zusammenhang von mythischem Denken und der Ideologie des Antisemitismus, der sich auch in der Impfablehnung zeigt, steht im Zentrum.

Isolde Vogel ist Historikerin und Antisemitismusforscherin mit Fokus auf völkische Weltanschauung, Ideologie und Geschichte des Nationalsozialismus und Rechtsextremismus. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) im Arbeitsbereich Rechtsextremismus und war zuvor für die Österreichische Akademie der Wissenschaften, das Yad Vashem Archiv und als Lehrbeauftragte der Universität Wien tätig. Außerdem arbeitet sie aktuell an ihrem Dissertationsprojekt zum Thema „Impfablehnung und Antisemitismus im völkischen Denken“.