Marxismus und Psychoanalyse
Marxismus wie Psychoanalyse, zwei monumentale Lehren der Moderne, waren seit dem Zeitpunkt ihres Entstehens Gegenstand zahlreicher Revisionen, umkämpfter Auslegungen und theoretischer Verwerfungen. Wilhelm Reich und Leo Trotsky, die „Frankfurter Schule“ und (post)strukturalistische Ansätze französischer Theoretiker wie Jacques Lacan, Gilles Deleuze und Félix Guattari, bis hin zu heutigen Intellektuellen wie Slavoj Žižek, sahen es als notwendig an, sich „kritisch“ mit der Psychoanalyse zu beschäftigen. In aller Unterschiedlichkeit teilten diese Denker die Bestrebung nach einer gegenseitigen Fruchtbarmachung von Marxismus und Psychoanalyse, die als Produkte ihres konkreten historischen Moments und seiner politischen Möglichkeiten verstanden wurden. Das Teach-in soll ein Abriss der Geschichte dieser Verstrickungen mit Hinblick auf folgende Fragen geben:
Worin sahen die Marxisten der Kritischen Theorie und deren Vorläufer das emanzipatorische Potenzial psychoanalytischer Erkenntnisse? Inwiefern war die Hinwendung zu Erkenntnissen der Psychoanalyse durch Marxisten wie Wilhelm Reich in den 30er Jahren Ausdruck des Scheiterns linker Emanzipationsversuche? Was bedeutete die stetige Integration der Psychoanalyse in den gesellschaftlichen Status Quo im Laufe des 20. Jahrhunderts für deren Übernahme insbesondere durch die Neuen Linken? Inwiefern lässt sich die von Freud konstatierte Spaltung des Seelenlebens in einen bewussten und einen unbewussten Teil als Ausdruck dessen, was Marx das Problem des Kapitals nannte, und somit selbst als historisches Phänomen begreifen?