Ein (radikales) Museumskonzept für das Dollfuß-Geburtshaus und sein jähes Ende
Mit der Ernennung des ehemaligen Texingtaler Bürgermeisters Gerhard Karner zum Innenminister Ende 2021 rückte eine Gedächtnisinstitution ins öffentliche Interesse, die bis dahin vorrangig einem Fachpublikum als Irritation im Feld zeithistorischer Ausstellungspraxis bekannt war: das 1998 im Geburtshaus errichtete „Dr.-Engelbert- Dollfuß-Museum“. Das im November 2023 präsentierte Konzept „Raum schaffen“ sah eine grundlegende Abkehr vom Versuch vor, problematische Erinnerungszeichen mit Zusatztafeln oder kontextualisierenden Texten zu entschärfen. Stattdessen sollte im Rahmen eines umgekehrten Museumskonzepts die bisherige Institution Schritt für Schritt in einem partizipativen Prozess aufgelöst worden. So wie auch beim Aufbau einer Ausstellung hätten Objekte quellenkritisch befragt werden sollen. Anstatt sie aus anderen Sammlungen zu entnehmen, wären sie in Archive, Museen oder Privatsammlungen überführt worden, wo sie in temporären Ausstellungen dabei helfen sollten, das Projekt bundesweit wirken zu lassen. Als Akteur:innen hätten dabei lokale Bürger:innen, Schüler:innen, Wissenschafter:innen und Künstler:innen eingebunden werden sollen. Nach einer Intervention einiger Leihgeber:innen wurde das Museum im Jänner 2024 kurzfristig geräumt und die Ausstellungsobjekte in die Landessammlung Niederösterreich überführt.
Neben der Präsentation des letztlich verhinderten partizipativen Prozesses gibt Johanna Zechner aus dem Kurator:innenteam Einblicke in die Chronologie der Entwicklungen rund um das umstrittene Museum.
Johanna Zechner ist Historikerin und Kuratorin, gestaltet Ausstellung und Vermittlungsprogramme zu Aspekten österreichischer Zeitgeschichte mit den Schwerpunkten Erinnerungskultur sowie Frauen‐ und Geschlechtergeschichte. Seit 2019 leitet sie die Oral History Sammlung „MenschenLeben“ an der Österreichischen Mediathek/Technisches Museum Wien und ist seit 2024 im Kurator:innenteams des Volkskundemuseum Wien.