Erinnerungsabwehr in Österreich am Beispiel der Wiener „Trümmerfrauen“
Bis heute hält sich die Erzählung von den freiwilligen „Trümmerfrauen“, die in mühsamer Handarbeit den Schutt des durch den Luftkrieg zerstörten Wiens beseitigten. Damit sind die „Trümmerfrauen“ auch zu einem Symbol des Wiederaufbaus und des demokratischen Neubeginns der Zweiten Republik geworden. Noch immer ist jedoch weitestgehend unbekannt, dass die Trümmerbeseitigung im Nachkriegswien keineswegs eine rein freiwillige Angelegenheit war, sondern überwiegend von NationalsozialistInnen verrichtet wurde, die per Gesetz als „Sühnearbeit“ zur Schutträumung verpflichtet worden waren.
In meinem Vortrag zeige ich, dass das in Österreich verbreitete Bild der „Trümmerfrauen“ kaum Entsprechung in den historischen Tatsachen findet – vielmehr handelt es sich dabei um eine maßgeblich geschlechtsspezifisch geprägte Projektionsfläche zugunsten einer Abwehr sowohl der nationalen als auch der familiären Verstrickung in den Nationalsozialismus.
Lea von der Hude studierte Geschichte, Germanistik und Antisemitismusforschung in Potsdam und Berlin, seit 2022 arbeitet sie als Zeithistorikerin und Doktorandin am Institut für Kulturwissenschaften der ÖAW in Wien. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen Antisemitismus, die Geschichte des Nationalsozialismus und des Holocaust sowie Erinnerung und Geschichtspolitik in Österreich und Deutschland.