Psychische Störungen zwischen Privilegierung und Diskriminierung
Die Diskriminierung von Menschen als “psychisch krank”, mit der sich die psychiatriekritische Debatte beschäftigt, ist eine Unterform ableistischer Diskriminierung, die von sozialen Konstruktionen psychischer Funktionsfähigkeit und psychosozialen Normalitätserwartungen durchsetzt ist.
Im Vortrag werden daher zunächst die zentralen Begriffe der anti-psychiatrischen / psychiatriekritischen Forschung erläutert: Psychologisierung, Pathologisierung und Psychiatrisierung. Diese Prozesse basieren vielfach auf Rassifizierung und/oder sind gegendert: So werden wir im Vortrag und im Workshop zum Beispiel die Geschlechterdifferenzen zwischen den DSM-Beschreibungen männlicher und weiblicher Orgasmusstörungen betrachten und herausarbeiten, welche kulturspezifischen normativen Vorstellungen von „Charakterschwäche“ sich in der Beschreibung verschiedener Persönlichkeitsstörungen finden lassen. Die impliziten Normalitätserwartungen, die in Pathologisierungen stecken, kreuzen sich also intersektional zu der Frage nach “der normalen Frau” / “dem normalen Weißen” und dem „gepflegten bürgerlichen Leben“. Wie jede Normalitätserwartung, sind auch diese Herrschaftsinstrumente.
Im anschließenden Workshop erarbeiten wir, was in diesem Bereich die
Analogien zu “Privilegien” und “Benachteiligung” sind. So bedeutet
Normalitätserwartungen zu entsprechen im anti-psychiatrischen Kontext
häufig das Privileg als normaler weißer Mann* des Wahnsinns unverdächtig
zu sein.