Gemeinschaft und Gesellschaft - Der Weg der deutschen Soziologie in den Nationalsozialismus
Der Vortrag skizziert den Weg der deutschen Sozialphilosophie und Soziologie in den Nationalsozialismus. Er thematisiert die Bezüge nationalsozialistischer Soziologen, Politik- und Rechtswissenschaftler auf die deutsche Gegenaufklärung. Deren Abkehr von der aufklärenden Vernunft ebenso wie vom französischen positivistischen Rationalismus, manifestiert sich zunächst in der antisemitischen Konstruktion der Deutschen als des „Urvolks“, der ursprünglichen Volksgemeinschaft bei Fichte. Auch Klassiker der deutschsprachigen, geisteswissenschaftlich orientierten Soziologie wie Werke Tönnies, Webers und Sombarts müssen im Lichte dieser Denktradition gesehen werden, die in der „ausmerzenden Soziologie“ des Nationalsozialismus gipfelt. Die Kontinuitäten und ihre Verdrängung werden auf dem Deutschen Soziologentag 1946 zum Programm der ‚pathologischen Erinnerungslosigkeit, welches deutsche Soziologie und deutsche Identität nach dem NS bestimmen sollte: die nationalsozialistischen Verbrechen seien ein „metaphysisches Geheimnis, an das der Soziologe nicht zu rühren vermag“ (Leopold von Wiese).