Ein Imperium der Beschämung: Gelächter als Identitätspolitik im nationalsozialistischen Deutschland
Spott und herabwürdigendes Gelächter gehörten zu den deutschen Verfolgungsstrategien gegenüber jüdischen Deutschen und Juden in ganz Europa. Der Vortrag diskutiert, warum das so war und welche Bedeutung verächtlich gemeinter ‚Humor‘ hatte. Semantisch war dieser Begriff im deutschen Kontext bereits seit dem 19. Jahrhundert verwoben mit der Vorstellung von Kampf und Gewalt. Vor allem während des Ersten Weltkriegs und in der Weima- rer Republik nutzten ihn viele Deutsche in antidemokratischer Absicht. Diese historische Aufladung trug dazu bei, dass Humor in der NS-Zeit als Kommunikationsinstrument fungieren konnte, sich ‚ohne Worte‘ über politische Absichten zu unterhalten. Wer eine natio- nalsozialistische, verfolgende Gesellschaft etablieren wollte, setzte beschämende ‚Scherze‘ einerseits als narrative Strategie und andererseits als Praxis der Ausgrenzung ein.
Martina Kessel ist Professorin für Moderne Geschichte und Geschlechtergeschichte an der Universität Bielefeld. Unter anderem beschäftigt sie sich mit Fragen der Identitätsbildung, so auch in ihrer 2019 veröffentlichten Monografie Gewalt und Gelächter. ‚Deutschsein‘ 1914 - 1945, auf die sich ihr Vortrag bezieht.